Predigt

2. Fastensonntag LJ B

Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18 + Mk 9,2-10

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!

 

Ich gehe in den Sommerferien gerne Bergwandern – das befreit mich Schritt für Schritt von den Fesseln des Alltags und von all den Herausforderungen und Problemen, die das ganze Jahr über angefallen sind, meine Zeit gebunden und mich manchmal auch gefesselt und hilflos werden ließen. Bis zum Gipfel klärt sich manches und (von) oben habe ich oft eine andere Perspektive auf mich, mein Leben, meine Mitmenschen, meinen Glauben, auf Gott. 

 

Die heutigen Schriftexte sind Bergwanderszenen und Bergerfahrungen. Die „Verklärung Jesu“ kennen wir: Sie ist jedes Jahr am 2. Fastensonntag dran; zudem gibt es jährlich am 6. August das Fest „Verklärung des Herrn“. Die heutige Lesung, die „Opferung Isaaks“, wie der Text oft genannt wird, wird dagegen fast nie gelesen und uns zugemutet – auch nicht in der Osternacht, wo dieser Text zu den Auswahllesungen gehört. Ein verstörender Gott, der „Menschenopfer“ fordert – das ist wirklich eine Zumutung und grausam.

 

Aber ich mute mir, Ihnen und uns diesen Text heute zu: Es geht um Leben und Tod – und um Tod und Leben. Abraham lebt seine Gottesbeziehung: Jahwe geht mit ihm, ist bei ihm, ist Wegweiser in eine gute Zukunft: Abraham soll viele Nachkommen haben, „zahlreich wie der Staub auf der Erde“ (Gen 13,16), so hat es Jahwe ihm verheißen. Mit Isaak hat Abraham einen Sohn, den er natürlich von Herzen liebhat – soweit die Vorgeschichte.

 

Abrahams Leidenschaft für Gott schafft auch Leiden: Sein Glaube an und sein Vertrauen in Gott werden auf eine harte Probe gestellt. Abraham lebt seinen Glauben glaubhaft und lässt sich immer wieder von Gott ansprechen – so auch in der heutigen Lesung. „Hier bin ich!“ (Gen 22,1) Abraham ist hörbereit, aber kann er bei dem, was Gott ihm aufträgt gehorsam sein? Seinen Sohn, den einzigen, den er (noch) hat [– Hagar und Ismael hat er vertrieben (vgl. Gen 21,1-21) –], soll er opfern, abschlachten und Gott als Opfer darbringen.

 

In anderen damaligen religiösen Bewegungen waren „Menschopfer“ Teil des Kultes – aber Menschen- und v.a. Kinderopfer für Jahwe, wie Gott im Alten Testament heißt, sind dort eindeutig verboten (vgl. Dtn 12,29-31). Wie kann „Jahwe“ (vgl. ויהי  Gen 22,1) dann die Opferung seines geliebten Sohnes von Abraham fordern? Es ist einer von Gottes unverständlichen Gedanken: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“ (Jes 55,8) – eine Provokation für Abraham und für uns.

 

Diese Provokation stellt Abrahams Glauben in Frage – auch meinen, wenn mich im Familien- oder Bekanntenkreis schlimme Krankheitsdiagnosen erreichen: Warum ich/sie/er? Warum mutet Gott mir/ihr/ihm/uns das zu? Ich habe sie/er hat doch gebetet und war in der Kirche! An Gott verzweifeln: Kann Abraham noch einen guten Gott glauben, an einen Gott, der Leben schenkt – oder soll er selbst handeln gegen Gottes Geheiß? Abraham könnte Isaak den Tod und sich selbst die Tötung, mit der er leben müsste, ersparen. Über Abrahams Gewissenszweifel steht in der Bibel nichts – eine Leerstelle.

Abraham geht: Er macht mit Isaak eine Wanderung – schweigend; ein Berg ist das Ziel. Für Isaak ist es ein Ausflug aus dem Alltag – Abraham geht mit einer anderen Absicht … Wie mag es ihm auf dem Weg ergangen sein?

 

Am „dritten Tag“ (Gen 22,4) sieht Abraham den Berg. Der dritte Tag, der Tag der Entscheidung, der Tag, an dem der Gipfel erreicht wird. In dem Gespräch, das aus der Lesung herausgeschnitten ist, fragt Isaak nach dem Opfertier und Abraham gibt seinem Sohn die Antwort: „Gott [selbst] wird sich das Lamm für das Brandopfer ausersehen“ (Gen 22,8). Abraham baut den Altar, schichtet Holz darauf und fesselt Isaak (Gen 22,9). Die „Bindung Isaaks“ zeigt Abrahams Bereitschaft, seinen Sohn hinzugeben, ihn Gott zu opfern.

Abraham durchlebt eine „Golgota-Situation“ (G. v. Rad): Gott gibt Jesus, seinen Sohn hin, opfert ihn auf dem Altar des Kreuzes, obwohl er eingreifen könnte. Bei Abraham greift er ein – in letzter Sekunde. Abraham hört erneut auf Gottes Stimme und antwortet: „Hier bin ich“ (Gen 22,11). Gott schenkt Isaak das Leben – und Gott schenkt Abraham seinen Sohn und die Hoffnung auf eine gute Zukunft zurück – welch ein Segen. Die „Erprobung Abraham“ endet Gott sei Dank mit einem happy end. In eigenen Leben führen Gottes Zumutungen nicht immer zu einem so glücklichen Ausgang wie bei Abraham und Isaak. Oft bleiben lebenslang offene Fragen, Verletzungen, Wunden, Todesangst, baldige Todesgewissheit. Wo ist da noch Hoffnung?

 

Das heutige Evangelium von der „Verklärung“ ist vielleicht ein Lichtblick, weil er Leiden nicht verklärt, sondern annimmt (vgl. Mk 8,31) und darüber hinaus sieht: Der Menschensohn und auch wir werden von den Toten auferstehen (vgl. Mk 9,9-10). Eine Dimension des Glaubens, die über die Welt und unsere Möglichkeiten im Hier und Jetzt hinausweist; eine Perspektive der Hoffnung: Leben ist unsere Zukunft – frei von allen Todesbanden.   AMEN.