Impuls für die Woche

Liebe Christinnen und Christen im SSB Hofer Land und darüber hinaus,

liebe Freunde und Bekannte,

liebe E-Gemeinde,

 

als Brückenbauer und Bergwanderer mag ich Abgründe dann:

  • wenn man die Berge, zu denen sie gehören begehen und besteigen und dabei eine schöne Aussicht genießen kann;
  • oder wenn ein Brücke Abgründe überwindet und Menschen miteinander verbindet und zueinander führt;

 

andere Abgründe flößen mir Respekt, teilweise auch Angst ein:

  • wenn Abgründe tief und breit, ja nahezu unüberbrückbar sind, und Menschen nicht zueinander finden können oder wollen
  • wenn der zugehörige Weg beschwerlich, steil und gefährlich ist oder nicht klar ist, ob der Weg überhaupt zu schaffen ist.

Dazu ein „abgrundtiefer“ Impuls zu den Schrifttexten des vergangenen Sonntags (Am 6,1a.4-7 und Lk 16,19-31) als PDF…

 

… und ein Mut machendes Lied zum Brückenbauen: hier der Lied-LINK.

 

Euch/Ihnen allen ein schönes langes Wochenende und einen gesegneten Sonntag!

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Dieter G. Jung

Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land

zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau

Predigt 26. So. i. JK; LJ C / Caritas-Sonntag

Am 6,1a.4-7 + Lk 16,19-31

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!

„Es war einmal“ – diese drei Worte zu Beginn eines Textes machen klar, dass es sich um ein Märchen handelt. Das heutige Evangelium (Lk 16,19-31) beginnt mit diesen Worten Jesu: „Es war einmal“ (Lk 16,19). Es ist alles andere als ein Märchen, erst recht nicht aus „längst vergangenen Tagen“ (vgl. das vorangestellte „In jener Zeit“), sondern bittere Realität auch heute: die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Arme werden immer ärmer, Reiche immer reicher – das belegt der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2021[1], ein Bericht, der alle vier Jahre erhoben wird. Corona hat die soziale Ungleichheit noch verstärkt und die Energie- und Klimakrise werden diesen Trend weiter verstärken. Die Kluft zwischen Armen und Reichen wächst in Deutschland.

Ein namenloser Reicher und ein Armer namens Lazarus stehen einander gegenüber; zwischen ihnen ein scheinbar unüberwindlicher Abgrund:

Zu Lebzeiten wollte sich der Reiche nicht zum Armen herablassen und nichts mit ihm zu tun haben – die Tür seines Hauses und seines Herzens blieb zu und Lazarus damit außen vor – der Hunger wurde nicht gestillt und die Geschwüre nicht medizinisch versorgt – ausgeschlossen und weggesperrt, damit er das Fest und die Sichtweise des Reichen ja nicht störe.

Nach dem Leben wieder ein Abgrund: der einstmals Reiche ist jetzt arm dran und außen vor, während Lazarus in Abrahams Schoß geborgen ist. Ausgleichende Gerechtigkeit – so könnte man sagen, wenn auch reichlich spät, nämlich nach dem Tod – zu Lebzeiten hat Lazarus nichts davon.

Was heißt „arm sein“ in Deutschland – heute? Gelten nur Menschen als arm, die kein Dach über dem Kopf haben, Pfandflaschen sammeln oder von staatlicher Unterstützung leben? Oder sind auch Menschen von Armut betroffen, die zwar einen Vollzeitjob haben, aber wie viele alleinerziehende Frauen vom Lohn oder der niedrigen Rente nicht leben können? In Deutschland ist das genau definiert: Von Armut gefährdet ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettolohns erhält – 1176 € waren das im Jahr 2021. Reich ist, wer monatlich mehr als 3900 € netto bezieht.

Auf welcher Seite stehe ich? Ich persönlich kann sagen, dass ich mittendrin stehe, zugegeben schon mehr auf Seiten der „Reichen“: Ich habe eine Wohnung und leide keinen Hunger; ich bin gesund und, sollte ich einmal krank werden, bin ich gut versichert sowie ärztlich und medizinisch gut versorgt. Ich habe auch das Lebensende bedacht und fürs Alter vorgesorgt. Die Gegenüberstellung des reichen Prassers und des armen Lazarus im Evangelium erschrecken mich Wohlhabenden, fordern mich und meinen Wohlstand heraus und machen mich nachdenklich: Bedenke das Ende! Ja, ich lebe hier in in Deutschland; habe ein gutes Ein- und Auskommen – aber ich kann auch als „Reicher“ arm sein: arm an sozialen Kontakten und echten Freunden, die nicht nur wegen meines Geldes da sind. Ich könnte vieles anders machen als der reiche Prasser im Evangelium: Ich könnte mein Herz für Notleidende und in Armut Lebende öffnen und barmherzig sein. Ob ich es schaffe, mich zu überwinden, um den breiten Abgrund zu überwinden?

Es gab und gibt viele Menschen, Verbände und Organisationen, die Not nicht ausblenden, sondern hinsehen und handeln, um diese Kluft kleiner zu machen oder im Idealfall den Abgrund ganz zu überwinden – die Caritas gehört seit 125 Jahren unbestritten dazu; auch die vielen Frauen und Männer, die sich haupt- und ehrenamtlich caritativ engagieren und mit Armen, Alten, Kranken und Bedürftigen ein Stück ihres Lebens teilen. Das machen wir gemeinsam – Leben nämlich: zusammen leben, so bringt es das Leitwort der Caritas-Woche auf den Punkt. Das machen wir gemeinsam – in gegenseitiger Wertschätzung, gelebter Solidarität und ausgleichender Gerechtigkeit, statt neue Abgründe aufzutun und bestehende Gräben in der Gesellschaft zu vertiefen. Das ist kein Märchen, sondern kann Wirklichkeit werden: Wenn wir gemeinsam mit Herz und Hand und durch Engagement, Hilfe und Spenden die Abgründe unserer Zeit zu überwinden suchen, die Armut vor unser Haustür und den Hunger weltweit, dann geht es vielen Menschen besser – schon in diesem Leben. „Das machen wir gemeinsam“: Not sehen und hoffentlich handeln – nicht nur am Caritas-Sonntag.   Amen.



[1]   Die folgenden Aussagen und Analysen sind einem Kommentar zu diesem Armuts- und Reichtumsbericht entnommen vgl. https://www.dw.com/de/wachsende-kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland/a-57506792 | DW | 13.05.2021. Zitate sind nicht explizit markiert.