Liebe Christinnen und Christen im SSB Hofer Land und darüber hinaus,
liebe Freunde und Bekannte,
liebe E-Gemeinde,
die Ethik Jesu fordert mich und uns heraus:
- barmherzig sein: ein Herz haben das nicht gnadenlos ist, sondern anderen Erbarmen schenkt und Hilfe zukommen lässt
- auch die Feinde lieben, nicht nur die wohlgesonnenen Menschen und die, mit denen man gerne zusammenarbeitet
- nicht (über) andere richten, sondern sie vielmehr aufrichten
die Ethik Jesu fordert mich und uns heraus und ermutigt auch andere, anders zu handeln: menschendienlich.
Dazu gebe uns Gott die Kraft, den Heiligen Geist, den Atem, der lebendig macht und der uns ermutigt glaubhaft zu leben und lebhaft zu glauben.
Atme in uns Heiliger Geist (GL 346) - Liedlink
Hier ein LINK zu den Schrifttexten, auf die sich der Impuls für die Woche bezieht.
Ihnen allen eine gute und gesegnete Woche: Komm, Herr, segne uns (GL 451)
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter G. Jung
Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale - Oberkotzau - Rehau
Predigt 6. Sonntag im Jahreskreis; LJ C
Jer 17,5-8 + Lk 6,17-18a.20-26
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Bei jeder Serie, die im Fernsehen läuft oder die man streamen kann, kommt zu Beginn ein kurzer Rückblick, damit man den Anschluss nicht verliert. Erinnern Sie sich? Das war letzten Sonntag dran: Wenn wir das Leben und das Lebensnotwendige teilen und die Mitmenschen daran teilhaben lassen, kann das Leben gelingen und alle haben gewonnen. Dann gilt: Mensch, freu dich! – und nicht mehr: Leider verloren! Mensch, ärger dich nicht!
Aber so einfach ist das nicht: Es bleiben Verlustängste und -realitäten:
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren: den Arbeitsplatz, den eigenen Wohlstand, die Gesundheit, das Leben, ihre Würde, ihren guten Ruf.
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren – und versuchen sich abzusichern: Vorsorge und Versicherungen für alle Eventualitäten des Lebens.
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren – und versuchen sich abzusichern. Wenn es sein muss mit Gewalt.
Die Lesung aus dem Buch Samuel erzählt von Verlustängsten, vom Versuch sich abzusichern, von handgreiflicher Gewalt gegenüber Kleinen. Der Konkurrenzkampf zwischen Saul und David: König Saul, der das Vertrauen Gottes verspielt hatte – gegen den von Gott zum neuen König gesalbten jugendlichen David. Saul sucht David in seine Gewalt zu bringen, ihn umzubringen, um so seine Position und seine Macht als König zu sichern. An dieser Stelle setzt die Lesung ein: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23 dreht sich um die Auseinandersetzung und den Umgang mit Macht. Alles dreht sich um die Frage, was es wirklich braucht, um ein guter König zu sein – und was in dessen Macht steht: David lässt Saul am Leben, obwohl David die Macht gehabt hätte, Saul zu töten. Er handelt damit anders, als Saul an Davids Stelle gehandelt hätte.
Und genau da ist der Unterschied zwischen Gewalt und Aggression. Das lateinische Verb aggredere bedeutet wörtlich nahe herangehen. David ist in diesem Sinn aggressiv: er geht bis an die Grenze, aber übertritt sie nicht. Er wahrt die Grenze, die Sauls Lebens und körperliche Unversehrtheit schützt – er krümmt ihm kein Haar. Genau das ist der gravierende Unterschied zu einem Gewalttäter, der die Grenzen anderer überschreitet.
Es ist kein Zufall, dass viele Gewalttäter, vor allem in Formen von häuslicher Gewalt, aggressions-gehemmte Typen sind – Menschen, die mit mitmenschlicher und zwischenmenschlicher Nähe ihre Schwierigkeiten haben. Bei Priestern und Ordensleuten, die es nicht gelernt haben, verbal und im Umgang liebevoll und wertschätzend miteinander umzugehen, Nähe zuzulassen und die Grenzen zu kennen und zu akzeptieren, liegt genau dort – und nicht primär im Zölibat oder einer bestimmten sexuellen Orientierung – das Gefahrenpotential: Sie überschreiten Grenzen, missbrauchen ihre Macht und die Abhängigkeit und die Ohnmacht anderer; sie missachten die Würde des anderen und zerstören Menschenleben und Kinderseelen.
Die katholische Kirche hat Schuld auf sich geladen, weil sie ungute Machtstrukturen gefördert und durch diese auch Missbrauch und Misshandlungen gedeckt und vertuscht hat. Kirche versucht diese Fälle aufzuarbeiten – wie das im Erzbistum Bamberg geschehen ist und geschieht, dazu finden Sie demnächst eine Stellungnahme von Erzbischof Dr. Ludwig Schick auf der Homepage unserer Pfarrei. Für andere gesellschaftliche Organisationen wie Schulen, Vereine etc. würde ich mir eine derartige Aufarbeitung der Vergangenheit wünschen – oft ist da aber ein Deckmantel des Schweigens.
Ja, wir brauchen Reformen, die die „Macht über Mitmenschen“ abschaffen, die Ohnmachtsstrukturen unterbinden und Machtmissbrauch verhindern. Und ja, wir brauchen Reformen, die die „Macht für und im Einsatz für die Mitmenschen“ fördert und damit die lebensdienliche Dimension der Macht und deren Möglichkeiten, Dinge zum Guten zu wenden. Diejenigen, die ein Amt oder eine Machtposition in der Kirche, in Politik und Gesellschaft innehaben, sollen alles in ihrer Macht Stehende tun zum Wohlergehen der Menschen: helfend und mahnend, kritisierend und ermutigend. Letztlich kann das jede und jeder. Austreten – auch das steht in meiner Macht; aber durch einen Austritt entmachte ich mich selbst und beraube mich der Möglichkeit zur Mit- und Umgestaltung von Kirche und Gesellschaft.
Ich nutze jetzt meine „Macht“ als Prediger: Jesus zeigt im heutigen Evangelium Lk 6,27-38 viele gute Wege zu gelingendem Leben auf, aber ein Wort Jesu stört mich: „Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin“ (Lk 6,29). Dieser gewaltfreie Widerstand funktioniert nämlich nur, wenn er öffentlich ist, wenn alle den Machtmissbrauch und die übergriffige Gewalt sehen. Dort aber wo derartige Machenschaften im Verborgenen und unter dem Deckmantel von Machtstrukturen geschehen, ist den Opfern mit dieser Aussage Jesu nicht geholfen – im Gegenteil, sie verlängert das Leid und die Gewalt; das gilt für den häuslichen Bereich gleichermaßen wie für die Kirche. Jeder Missbrauch ist ein Missbrauch zu viel, ganz egal ob er auf körperlich-sexueller, körperlicher, verbaler oder auf geistlicher Ebene geschieht.
Wir brauchen mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander: Ein Verhalten, das in der Wertschätzung jedes menschlichen Lebens gründet. Es geht um eine Ethik, die von Liebe und nicht von Gewalt geprägt ist: Es zählt nicht die Liebe zur Macht, sondern die Macht der Liebe – die Liebe, die wir anderen erweisen. „Wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen“ (Lk 6,31), so bringt es Jesus im Lukasevangelium auf den Punkt. Es ist die goldene Regel, die so heißt, weil sie wertvoll und wichtig ist für ein gutes und gelingendes Zusammenleben und Wirken in Kirche und Gesellschaft: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen.
AMEN.