Predigt 27. So. i. JK, Erntedank; LJ B
Gen 2,18-24 + Mk 10,2-12 (LF)
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche,
Gott hat alles geschaffen, Erde und Himmel, Sonne, Mond und Sterne – die Kinder und auch wir haben diesen Lobpreis auf den Schöpfer allen Lebens und allen Seins angestimmt. Heute am Erntedankfest sind wir dankbar, dass mit Gottes Segen und durch die Arbeit des Menschen viel wachsen und reifen konnte: einen kleinen Ausschnitt der Vielfalt an Obstsorten und Fülle Gemüsearten, die in unsren Gärten, auf Feldern und auch in fernen Ländern gewachsen sind, zeigt unser Erntealtar. Gott sei Dank – Erntedank!
Gott sorgt sich um uns. Er will, dass es uns gut geht – und wir Menschen sollen dafür sorgen, dass es auch den Generationen nach uns gut geht; das ist unsere Mitverantwortung an Gottes guter Schöpfung. Nachhaltig sollen wir mit der Erde und den Ressourcen umgehen und diese nicht auf Kosten der nach uns Kommenden ausbeuten. Im Text, der vor der heutigen Lesung im Buch Genesis steht, heißt es: Gott, der Herr, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen […]. Gott, der Herr, nahm den Menschen und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte. (Gen 2,9*.15)
Gott hat auch uns Menschen geschaffen – so erzählt es die Bibel. Gott sorgt sich um uns Menschen. Er will, dass es uns gut geht und dass der Mensch nicht alleine ist, sondern eine Hilfe hat – ebenbürtig, auf Augenhöhe (vgl. Gen 2,18). Gott kreiert die verschiedensten Vögel und Tiere (vgl. Gen 2,19-20) – Nutz- und Haustiere, schön und gut; aber diese sind kein ebenbürtiges, aufeinander bezogenes, einander ergänzendes und zueinander passendes Gegenüber.
Die Bibel erzählt von der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau – aus dem einen Menschen – so wie man sich das in der Vorstellungswelt vor fast 3000 Jahren gedacht hat. Obwohl der Text alt ist, steckt viel drin für unser heutiges Verständnis vom Menschen: die Frau entsteht nicht aus dem Mann, sondern Mann und Frau entstehen aus dem einen Menschen – die Frau ist damit nicht ein Mensch zweiter Klasse, sondern dem Mann gleichgestellt – von Anfang an.
Wir wissen heute um die Evolution; wir wissen um die Zeitbedingtheit der Schöpfungserzählung(en) in der Bibel – und doch ist sie theologisch wahr. Bibel und Wissenschaft schließen sich nicht aus, sondern sind zwei verschiedene Sichtweisen auf die Wirklichkeit: Als Christen glauben wir, dass Gott hinter allem steckt, dass er für die Schöpfung und die Evolution, die Entwicklung der Arten und des Menschen verantwortlich ist – und wir glauben, dass Gott sich um uns sorgt und will, dass es uns Menschen gut geht.
Gott, der Schöpfer, will unser Partner sein – und er will, dass es Menschen gibt, die einander ebenbürtig Partner/Partnerin, Freund/Freundin sind – die einander Hilfe sind und einander im Leben und im miteinander leben unterstützen. Dafür dürfen wir dankbar sein: wenn wir in einer solchen Beziehung, Partnerschaft, Ehe, Familie leben, wo genau das gelebt wird: füreinander da sein in guten und bösen Tagen – wir danken für die Früchte guten und gelingenden Zusammenlebens.
Nicht immer gelingt dieses Zusammenleben: Streit und Uneinigkeit, Egoismus und mangelnde Unterstützung. Beziehungen, Partnerschaften, Ehen können bröckeln und zerbrechen – Scheidung, davon spricht Jesus heute im Evangelium. Scheidung zeigt, dass nicht alles gut ist – und dass Menschen darunter leiden, weil das Zusammenleben nicht gelingt. Zurzeit Jesu hatten die Männer mehr Rechte: sie konnten sich scheiden lassen – aus welchen Gründen auch immer; Frauen konnten das nicht – sie waren oft die Leidtragenden, weil Männer sich alles erlauben durften, ohne dass es Konsequenzen hatte.
Jesus sieht das Leid der Frauen und gesteht auch ihnen die Scheidung zu (vgl. Mk 10,2-12) – Gleichberechtigung, wenn es nicht mehr auszuhalten ist, man(n) und frau sich in neue Beziehung flüchten und so den Bruch des Ehebundes begehen. Das ist aber nicht die vorrangige Perspektive: Ziel ist das gelingende und gute Zusammenleben – ein Leben lang.
Die textlich „angehängte“ Segnung der Kinder (vgl. Mk 10,13-16) bringt das auf den Punkt: das Annehmen des Reiches Gottes, des Guten, das Gott in Natur, in Partnerschaft, in Ehe und Familie schenkt – das Tun des Menschenmöglichen, um dieses Gut und das Gute zu erhalten, damit es – im Vertrauen auf Gottes Segen – wachsen und reifen kann.
Gott sei Dank – Erntedank – auf ganz verschiedenen Ebenen – mitten im Leben!
Amen.