Karfreitag

Liebe Christinnen und Christen,

liebe Freunde und Bekannte,

 

Kreuz und Grab standen heute am Karfreitag im Mittelpunkt.

 

Hier die Predigt zur Johannespassion (Joh 18,1-19,42) von heute Nachmittag

und zwei abendliche Fotos aus der St. Franziskuskirche in Schwarzenbach/S.

 

Im KREUZ ist Heil - im KREUZ ist Leben - im KREUZ ist Hoffnung.

 

Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende + gewähre uns der allmächtige Herr.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter G. Jung

Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau

PREDIGT Feier vom Leiden und Sterben Christi

Jes 52,13-53,12 + Hebr 4,14-16; 5,7-9 + Joh 18,1-19,42

 

Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Kinder und Jugendliche! 

 

Was ist Wahrheit? Ich war nicht ganz ehrlich zu Ihnen. Ich habe bisher nicht alles gesagt, was ich hätte sagen können. Hier nun die ganze Wahrheit zum Motiv des MISEREOR-Hungertuches, das einen mehrfach gebrochenen Fuß zeigt: „Der Fuß gehört zu einem Menschen, der bei einer Demonstration in Santiago de Chile durch die Polizei schwer verwundet worden ist. Seit Oktober 2019 protestieren dort auf dem ‚Platz der Würde‘ viel Menschen gegen ungerechte Verhältnisse. Tausende Demonstranten wurden durch die Staatsgewalt brutal geschlagen und verhaftet. Dieser Fuß mit den sichtbaren Verletzungen steht stellvertretend für alle Orte, an denen Menschen gebrochen und zertreten [und damit ihrer Würde beraubt] werden.“ (Info zum MISEREOR-Hungertuch). Diese erschütternde Realität verbirgt sich hinter dem mehrfach gebrochenen Fuß auf dem Hungertuch – die Wahrheit ist enthüllt; sie kann und darf nicht verschwiegen werden. 

 

Was ist Wahrheit? Die Wahrheit muss ans Licht, auch in der Kirche – gerade heute! Es gibt diese erschütternde Realität des Wegsehens und der Vertuschung, um Gewalt und Missbrauch zu verbergen, und Mauern der Angst, die Opfer oft jahrelang sprachlos machen. Die Wahrheit muss ans Licht, Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen und transparente Strukturen geschaffen werden, die eben derartige Vorfälle verhindern. Und es braucht jegliche Unterstützung für die von Gewalt und Missbrauch verletzten, gebrochenen und zerbrochenen Menschen.

 

Was ist Wahrheit? – um diese Frage dreht sich die Passion, die Leidens-geschichte Jesu im Evangelium nach Johannes: Was ist Wahrheit? In drei Verhören durch die politischen und religiösen Autoritäten der Stadt Jerusalem und der Provinz Judäa soll die wahre Identität Jesu und seiner Lehre geklärt werden. Sag die Wahrheit: „Bist du der König der Juden?“ (Joh 18,33), fragt ihn Pilatus. Jesus hat nichts zu verbergen, wenn er wahrheitsgemäß sagt: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. […] Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,36-37). Jesus bleibt auch vor Gericht bei der Wahrheit, auch wenn sie jetzt für ihn den sicheren Tod bedeutet. Er sagt: „Ich habe offen vor aller Welt gesprochen. Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen. Nichts habe ich im Geheimen gesprochen“ (Joh 18,20). Das ist Wahrheit, dass sie wirklich hält, was sie verspricht; dass sie wahr ist und Bestand hat; dass sie sich nicht verstecken braucht oder etwas fürchten muss. Jesus lebt diese Wahrheit und kann so das schmerzhafte Leiden und die Verlassenheit am Kreuz aushalten, ohne sich zu verstellen.

 

Was ist Wahrheit? Diese Frage stellt sich auch für Petrus. Dreimal wird er nach seiner Identität gefragt: „Bist du nicht auch einer von den Jüngern 

dieses Menschen?“ (Joh 18,17). Dreimal verstellt sich Petrus, weicht den bohrenden Fragen aus und drückt sich um die Wahrheit herum. Dreimal leugnet Petrus, Jünger in der Nachfolge Jesu zu sein, um seine eigene Haut zu retten. Seine Tränen beim Hahnenschrei enthüllen die Wahrheit.

 

Was ist Wahrheit? Diese Frage erhält am Karfreitag eine Antwort nicht nur im Hinsehen auf das MISEREOR-Hungertuch mit dem mehrfach gebrochenen Fuß, sondern vor allem im Hinschauen auf das Kreuz, auf das Jesus mit Brutalität festgenagelt wird: durchbohrte Hände und Füße, ein von der Lanze durchstoßenes Herz. Die Wunden seiner Geißelung, seiner Dornenkrönung und seiner Kreuzigung klagen an und klagen Gerechtigkeit ein, fordern ein Ende von Machtmissbrauch und Gewalt. Die Wahrheit soll und muss ans Licht kommen. 

 

Was ist Wahrheit? Die Frage des Karfreitages bringt es ans Licht, wenn man sie konkretisiert: Wer ist Wahrheit? Bei der Kreuzverehrung wird ein Kreuz wird in die Kirche getragen – verhüllt mit einem Tuch. Keine Verschleierung, kein Verstecken, sondern Enthüllung der absoluten Wahrheit: In drei Stufen wird das Kreuz enthüllt. Immer mehr wird vom Gekreuzigten sichtbar, der von sich gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Jesus ist die menschgewordene Wahrheit und reale Wirklichkeit Gottes (vgl. Joh 1,14.17). Dreimal wird das Kreuz höher gehoben. Immer deutlicher wird sichtbar, wer Jesus, der Christus, in Wahrheit ist: Er, der Gekreuzigte, ist wahrer Gott und wahrer Mensch.

 

Bei der Kreuzverehrung bekennen wir diese gekreuzigte, gottmenschliche Wahrheit. Wir beugen unsere Knie vor IHM, der für uns sündige Menschen zur reinigenden Wahrheit und Heil bringenden Wirklichkeit Gottes geworden ist. Er macht sich für uns verletzlich, nimmt unsere Schuld auf sich. Zu IHM, Jesus Christus, können wir kommen –trotz unserer Schuld – er kennt uns durch und durch. Vor IHM müssen wir nichts vertuschen oder verbergen. Wir dürfen unser wahres Gesicht zeigen und so echte Begegnung mit IHM und untereinander erfahren – von Angesicht zu Angesicht. Und wir sollen diese Begegnung auch leben – nicht nur unter dem Kreuz, sondern im Alltag: Jesus verbindet seine Mutter Maria und den Jünger Johannes neu: einander sollen sie Sohn und Mutter sein, füreinander sorgen, einander trösten, stützen und unterstützen. Hingabe, Fürsorge und Passion – darauf kommt es in Wahrheit an, gerade in diesen schweren Zeiten: Passion – abgeleitet vom Verb patein – bedeutet ja nicht nur leiden, sondern auch leben und lieben. Wenn wir wie Jesus das Leben miteinander teilen und einander in Liebe begegnen und füreinander sorgen, dann zeigen wir „Gesicht“, dann strahlt Jesus Christus durch unser Reden und Tun hindurch. Ein Wagnis, da dieser Weg Jesu der Wahrheit und Wahrhaftigkeit (auch für uns) Verwundungen und Verletzung nicht ausschließt. Das müssen wir einkalkulieren und aushalten. Die Wahrheit aushalten und damit leben – auch im Tod. Die Wahrheit aushalten – und damit leben auch im Tod. AMEN.