Liebe Mitchristen aus St. Antonius, St. Josef und St. Franziskus,
liebe Freunde und Bekannte,
heute am 5. Fastensonntag, dem MISEREOR-Sonntag, habe ich wieder versucht das MISEREOR-Fastentuch mit den biblischen Texten und unserer Lebenswelt zusammenzubringen.
Anbei vorab wieder zwei Lied-Links zum Anhören und/oder Mitsingen:
- Zeige uns, Herr, deine Allmacht und Güte - GL 272
- Das Weizenkorn muss sterben - GL 210
Ihr geht. Anders
Verwandelt – hoffnungsvoll – bestärkt
Ihr geht. Anders
Gesegnet – begleitet – behütet
Ihr geht. Anders
als Söhne und Töchter – als Prophetinnen und Propheten – als Botinnen und Boten
Ihr geht. Anders
Hinein in den weiten Raum, auf den Gott Euch stellt und mit viele Möglichkeiten, die Welt zum Guten zu verändern.
So begleite Eure Wege, Eure Gedanken und Eure Taten mit seinem Segen der dreieine Gott, + der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.
(Segensgebet vgl. liturgische Bausteine zum Misereorsonntag 2021 mit Änderungen von Dieter G. Jung)
Einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche wünscht
Dr. Dieter G. Jung
Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau
PREDIGT MISEREOR-Sonntag LJ B - Jer 31,31-34 + Joh 12,20-33
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
„Es geht! Anders“ – so lautet die Motto der MISEREOR-Fastenaktion in diesem Jahr. „Es geht! Anders“ – verbindet uns wieder mit dem Röntgen-bild eines Fußes auf dem aktuellen MISEREOR-Hungertuch. Ein Fuß ist zu sehen – geröntgt, um die Brüche zu erkennen. „Es geht! Anders“: Der Ti-tel zum Hungertuch „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ spricht von der Hoffnung auf Heilung dieser Brüche, von einem Zusammenwachsen der gebrochenen Knochen, damit das Gehen wieder möglich ist.
„Es geht! Anders“ – das MISEREOR-Hungertuch besteht aus weißen Tuch-bahnen, aus verbundenen und zusammengenähten Betttüchern eines Krankenhauses und aus einem bayerischen Kloster – beides sind Orte der Heilung, die den gebrochenen Fuß umfangen: im Krankenhaus ist das of-fensichtlich – Brüche werden operiert, eingegipst oder geschient, damit Knochen wieder zusammenwachsen und wieder belastbar sind; im Kloster geht es – gerade bei Einkehrtagen, Exerzitien, geistlicher Begleitung oder Beichtgesprächen – oft um Heilung von Brüchen der Seele und zerbroche-nen Lebensperspektiven oder um Weitung des verengten Horizontes auf Gott hin: „Du Gott stellst mich und meine Seele auf weiten Raum“.
„Es geht! Anders“ – es geht um dieses Verbinden und damit auch um Verbundenheit – mitmenschlich und weltweit und auch mit Gott.
Dieser Bund Gottes stand am Anfang dieser Predigtreihe: Gott hatte die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Am Sinai hat er ihnen die zehn Gebote auf zwei steinernen Tafeln als Wegweiser zum Leben gege-ben. Die Israeliten sind den Weg in die Weite gegangen – dann kam es zum Bruch: „Diesen Bund haben sie gebrochen“ (Jer 31,32), konstatiert Jeremia in der heutigen Lesung – gebrochen im Sinn von verletzt ja, aber nicht zerbrochen im Sinn von zerstört. Ob Gott auch verletzt ist? Wie re-agiert Gott auf den von den Israeliten herbeigeführten Bruch?
Gott bricht nicht mit den Israeliten: „Denn ich vergebe ihre Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr“(Jer 31,34). Gott „heilt“ den gebroche-nen Sinai-Bund und erneuert diese Verbindung: „Ich werde ihnen Gott sein, und sie werden mir Volk sein“ (Jer 31,33). Liebe und Treue spricht aus diesen Worten; Gott will den Menschen weiterhin verbunden sein. Gottes Gebote sind jetzt nicht mehr in Stein gemeißelt, sondern aufs Herz und damit in den Menschen hinein geschrieben. Gottes Gebot soll Herzensanliegen der Menschen sein, ihr ganzes Leben wie der Herz-schlag durchpulsen und so ihr ganzes Leben prägen.
Der Bund ist somit eine Verbindung zwischen Gott und Mensch; er schafft Verbindlichkeit – aber er verbindet auch Menschen miteinander. Deutlich wird das u.a. heute am MISEREOR-Sonntag: Weltweit sind wir Menschen miteinander verbunden – aber es gibt viele Brüche: Ausbeu-tung um jeden Preis zerbricht die Lebensgrundlage der Menschen – nicht
nur in Bolivien. Mangelnder Zugang zu sauberem Wasser und medizini-scher Versorgung verhindern „Heilung“ – wir jammern auf hohem Ni-veau, wenn ich an Entwicklungsländer denke: kaum Masken vorhanden, Abstandhalten aufgrund der Bevölkerungsdichte oft nicht möglich, vom Vorhandensein Impfungen und Medikamenten ganz zu schweigen. Soli-darität ist nötig, damit Brüche heilen und Ungleichheiten und Ungerech-tigkeiten ausgeglichen werden können. Voller Einsatz ist gefordert, Hin-gabe, damit Leben in Fülle möglich wird. Wir weigern uns oft, denn das Korn in der Hand ist uns lieber, als es aus der Hand zu geben, es auszu-streuen und mit anderen zu teilen – aber so ist mitmenschliches Wachs-tum und Zusammenwachsen in der Einen Welt nicht möglich.
Das „Weizenkorn, das in die Erde fällt“ verweist auf Jesu Tod und Aufer-stehen: Wer sein Leben für andere einsetzt, wird das Leben gewinnen (vgl. Joh 12,24-25). Er will den Weg der Hingabe, den Kreuzweg, gehen, damit Gott an ihm seine Herrlichkeit erweise (vgl. Joh 12,27-33): Er wird Jesus nicht im Tod lassen, nicht wie ein Weizenkorn in der Erde, sondern ihm Leben schenken. Jesus ist bereit, diesen Weg durch den Tod ins Leben zu gehen. „Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt ge-ring achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben“ (Joh 12,25). Ein Wort Jesu, das mich nachdenklich macht: Hängt denn nicht jeder am Leben? Soll ich es wegwerfen? Hat mir nicht Gott das Leben geschenkt? Was soll das heißen – das Leben bewahren, indem ich es gering achte?
Alles hängt daran, wie ich „Leben“ verstehe. Das „Leben in dieser Welt“ folgt den Maßstäben dieser Welt. Aber „der Herrscher dieser Welt wird hinausgeworfen werden“ (Joh 12,31); seine Macht wird gebrochen. Geld, Sicherheiten, Einfluss – zählen für Gott nicht. Wenn wir unser Herz daran hängen, werden wir am Ende alles verlieren – und unser Leben obendrein.
Aber nicht nur wir werden verlieren – alle werden verlieren, auch diejeni-gen, die mitbezahlen für unseren Wohlstand und selbst am wenigsten pro-fitieren. Was kann ich da schon machen? Es sind doch die „Großen“, die stellen die Weichen und streichen fette Gewinne und Vertragsprovisionen ein – nicht ich. Ich habe doch keinen Einfluss auf das Weltwirtschaftssys-tem, auf den Welthunger, auf das Weltklima. Ich bin doch nicht daran schuld! – das sagt sich so leicht. Aber ich habe eine Verantwortung und bin anderen etwas schuldig: Ich schulde den Menschen, die Konsumgüter für uns in Europa miterzeugen, dass ich die Augen vor Ausbeutung und Ungerechtigkeit nicht verschließe. Und ich schulde den Menschen, die un-ter den Folgen des Klimawandels leiden, dass ich meinen Lebens- und Konsumstil überdenke. Ich habe Handlungsmöglichkeiten: Ich kann weni-ger CO2 produzieren, indem ich meine Autofahrten reduziere; ich kann auf die Herkunft von Textilien achten, ob sie fair hergestellt sind und die Nä-herinnen einen gerechten Lohn erhalten, um sich und ihre Familien ernäh-ren zu können; ich kann Plastikmüll, der die Meere verschmutzt, soweit es geht vermeiden. Ich kann handeln, denn „Es geht! Anders.“ Ich kann zum Heilen der Wunden der Erde beitragen und zur Verbundenheit und zum Zusammenhalt der einen Menschheitsfamilie. „Es geht! Anders.“ AMEN.