Liebe Pfarrangehörige, liebe Freunde und Bekannte,
mitten in der Woche - mitten im Leben ein herausfordernder Impuls.
Die Gedanken zum Evangelium des vergangenen Sonntags gehen mir nach...
... und bleiben Herausforderung:
Wort des lebendigen Gottes, das eine Antwort im meinem Leben sucht.
Liedimpulse:
- wie ein Fest nach langer Trauer
- Sorry seems to be the hardest word
Ihnen/Euch allen eine gute, gelingende und + gesegnete zweite Wochenhälfte.
Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Dieter G. Jung
Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau
PREDIGT - Mt 18,21-35
Liebe Schwestern und Brüder!
Eine radikale Botschaft: die Pflicht zur Vergebung.
Viele Fragen schießen mir durch den Kopf: Bin ich verpflichtet immer zu vergeben? Kann ich das überhaupt? Bin ich da nicht schnell der Dumme, ein Schwächling, wenn ich immer und immer wieder nachgebe und verzeihe? Wann wäre bei mir das Maß voll? Wo würde ich Grenzen ziehen – Versöhnungsbereitschaft muss doch Grenzen haben.
Petrus zieht diese Grenze in meinen Augen sehr großzügig: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder/meiner Schwester vergeben, wenn er/sie sich gegen mich versündigt? Siebenmal? Siebenmal, dem Mitmenschen vergeben, der mir geschadet und Böses zugefügt hat, der mich mit seinem Verhalten terrorisiert – siebenmal vergeben, dann reicht’s aber – siebenmal, dass ist schwer genug, da muss das Himmelreich doch kommen. Petrus wollte mit seiner Antwort glänzen, vor Jesus und den anderen Jüngern gut dastehen – er wollte Vorbild in Sachen Vergebung, wenn man menschliche Maßstäbe anlegt. Doch Jesus misst mit einem anderen Maß: nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal! Das meint: damit der Himmel schon hier auf Erden anbricht, musst du immer bereit sein, zu vergeben: unendlich oft.
Das ist einfacher gesagt als getan: wie leicht geht es mir über die Lippen, wenn ich etwas falsch gemacht habe: „Der oder die muss mir doch vergeben.“ Wenn ich aber selbst in der Rolle dessen bin, der vergeben soll, kommen Worte der Vergebung und Versöhnung nur schwer über meine Lippen – oft packe ich noch eins drauf, heize den Streit oder die Auseinandersetzung mit spitzen und verletzenden Bemerkungen an: Kleinkrieg mit Worten und Blicken, die töten könnten.
Im heutigen Evangelium finde ich mich in der Rolle des Dieners. Er erfährt vom König gerne Vergebung und Erlass seiner großen Schulden. Aber selbst tut er sich mit dem Vergeben und Schuldenerlass schwer. Der König – ich ahne, dass Gott damit gemeint ist – erlässt dem Diener zehntausend Talente – umgerechnet wären das heute etwa 20 Millionen Euro, eine Summe, die er wohl kaum zurückzahlen könnte. Wie gering sind dagegen die 100 Denare, die ein anderer Diener ihm schuldet, und die er seinem Mitmenschen nicht erlässt. Unsummen und Kleingeld.
Auch ich messe häufig mit zweierlei Maß: Großzügigkeit für mich, für meine Schulden und für mein Verschulden – Engstirnigkeit gegenüber anderen und ihr Verschulden. Wie schnell sitze ich in der Schuldenfalle – einer Falle bei der es nicht ums Finanzielle geht, sondern um den Umgang mit Schuld und um das rechte Maß der Vergebung.
Wir Menschen werden schuldig, wir sind Sünder – sie, sie, sie, du und auch ich. Und Schuld kann viele Gesichter haben, von kleinsten Unterlassungen bis hin zu unvorstellbar grausamen Taten. Schuldig werden wir durch das, was ich mir zu Schulden kommen lasse und was wir einander schuldig bleiben:
Aufmerksamkeit und Respekt, Wahrheit und nötiger Hilfe, Versöhnungsbereitschaft und Vergebung.
Schuldig werde ich, wenn ich mit zweierlei Maß messe. Damit mein Leben gelingt, muss ich mich auf ein Maß festlegen. Ich muss mich an diesem Maß messen lassen, auch wenn ich durch ein anderes Verhalten Vorteile hätte – alles andere wäre vermessen und maßlos.
Gott ist das Maß meines Lebens. Er ist König, der das Maß festlegt: Barmherzigkeit, Erbarmen, Geduld.
Diesem Maß soll ich mich verpflichtet fühlen im verantwortungsvollen Umgang mit anderen: Es geht nicht um drohende Zeigefinger oder geballte Fäuste. Es geht nicht ums Richten und Verurteilen. Sondern es geht darum, den Mitmenschen die Hände zu reichen, sie aufzurichten, ihnen zu verzeihen. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern – beten wir im Vater unser. Wenn dies das Maß unseres Zusammenlebens ist, wenn beide Seiten das wollen und leben, dann leben wir maßvoll. Dann besteht auch die Chance eines Neuanfangs: miteinander statt gegeneinander. Dann können wir die Vergangenheit getrost ruhen lassen, können versuchen, sie versöhnlich abzuschließen, statt miteinander abzurechnen. Wir können auch wilde Zukunftsspekulationen sein lassen, die mehr Verwirrung stiften, Ängste schüren und vieles in eine falsche Richtung lenken. Wir können jetzt, gemeinsam und miteinander, die Gegenwart in Kirche und Welt gestalten: hier und jetzt.
AMEN.
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