Liebe Freunde und Bekannte!
Heute bin ich sehr spät dran. Danke für Eure Geduld!
Ich habe mich heute auch über meine Geduld und die Geduld vieler Menschen gewundert:
- ein Gespräch das ca. 1 Std. später stattfand als geplant – keine Beschwerde
- fast 3 Stunden beim Blutspenden mit Abstand und Mundschutz, bis andere und ich durch waren – keine Klagen
Eigentlich bin ich ein pünktlicher Mensch und kann Verspätungen nicht leiden – muss sie zwar hinnehmen, da ich sie nicht ändern kann, aber es wurmt mich innerlich. Doch heute war von dem nichts zu spüren.
Ich habe mich an meine intensive Zeit im Senegal (Afrika) erinnert, wo ich viereinhalb Monate leben und arbeiten durfte: einfachleben – einfach leben und einfachglauben– einfach glauben.
Eines habe ich in Afrika besonders gelernt: Geduld.
Geduld mit der Zeit:
- es gab zwar vereinbarte Termine, aber es kam oft vor, dass man sich eine Stunde später getroffen hat – wichtig war nicht der Zeitpunkt, sondern dass man sich getroffen hat
- einen Busfahrplan oder eine feste Abfahrtzeit eines „Siebensitzers“ gab es nicht; der Bus oder das Autotaxi fuhr erst, wenn alle Plätze belegt waren; das konnte dauern, aber auch erstaunlich schnell gehen – ein VW-Bus mit eingestellten Holzbänken für ca. 20 Insassen dicht an dicht – unvorstellbar in Zeiten von Corona!
- die Uhr am Pfarrheim der Kathedralpfarrei, wo ich untergebracht war – ein Bau aus der französischen Kolonialzeit –, hatte eine Uhr aus Paris der Marke Collins – das Zifferblatt war da, aber keine Zeiger…
- immer das Positive sehen – jedes Warten hat auch einen Sinn, es bewirkt etwas
- sich nicht immer Sorgen machen, egal wie aussichtslos eine Situation auch ist; die Senegalesen sagen: „Gott sorgt schon für mich“ – und sie leben mit diesem Gottvertrauen gut, zufrieden und glücklich
- das schwierigste an dieser Zeit in Afrika war das Zurückkommen – zurück in „unsere westeuropäische Zeit“ mit einem straff durchgeplanten Kalender, mit fixen Terminen und eng getakteter Zeit
- bis heute trage ich seit meiner Zeit im Senegal keine Armbanduhr mehr…
Ich fühlte mich heute an diese für mich prägende Zeit in Afrika erinnert, nicht nur durch die senegalesische Musik beim Joggen, sondern auch an die Geduld und die Freundlichkeit, die Corona als positive Seiten mit sich bringt:
- Zeit haben und ihr nicht ständig hinterher zu hetzen
- sich Zeit nehmen für Dinge, die einem gut tun
- anderen die Zeit lassen, die sie brauchen
Erinnert habe ich mich heute auch an das Zeitgedicht von Elli Michler, das bei Onkel und Tante im Wohnzimmer hing, und das ich gerne mit Ihnen/Euch teilen möchte:
Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.
Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken,
nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit – nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.
Ich wünsche dir Zeit – nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrig bleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun,
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.
Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.
Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben!
Ihnen/Euch allen einen schönen Abend, eine erholsame Nacht, morgen eine im wahrsten Sinn des Wortes „sinn-volle" Zeit und + Gottes Segen!
Dieter G. Jung
Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau
Kommentar schreiben