Liebe Christinnen und Christen in unseren Pfarreien, liebe Freunde und Bekannte,
anbei der heutige Tagesimpuls in Form einer Predigt.
Viel Freude beim Lesen und Nachdenken, beim Leben und Glauben.
Ihnen und Euch allen einen + gesegneten Sonntag, einen guten Wochenstart und eine "gesunde" Woche!
Dieter G. Jung
Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Begegnungen von Angesicht zu Angesicht, Oma und Opa besuchen, sich in den Arm nehmen als Zeichen inniger Verbundenheit und Liebe, als Zeichen des Mitgefühls und des Trostes – diese Dinge vermissen Menschen in diesen Tagen des Kontaktverbots und der verordneten Ausgangssperre schmerzlich. Berührungen und Berührtsein ist Ausdruck von Nähe und Intimität – etwas ganz Persönliches, Zwischenmenschliches. Ab morgen ist zwar eine Person außerhalb des eigenen Hausstandes für Begegnungen und sportliche Aktivitäten erlaubt, aber es gilt Abstand zu halten, ein Leben auf Distanz zu führen und auf viele Begegnungen zu verzichten.
Kontakt nicht möglich – eine Erfahrung auch der Jüngerinnen und Jünger. Sie hatten sich eingeschlossen und sich aus Angst ein Kontaktverbot auferlegt (vgl. Joh 20,19). Kontakt nicht möglich – mit dem Tod Jesu ist alles aus, der Kontakt für immer abgebrochen und unmöglich – so glaubten sie. Doch Jesus Christus, der auferstandene Gekreuzigte, sucht den Kontakt zu ihnen, er überwindet die Kontaktsperre und wünscht den Jüngern „Frieden – Shalom“ – und damit Wohlergehen, Glück, Ruhe und Sicherheit, Segen und erfülltes Leben – all das meint Shalom.
Die Jünger sollen keine Angst haben, sondern dem Leben und dem Lebendigen trauen; sie sollen an die Auferstehung Jesu zum Leben glauben.
Wer kann schon an die Auferstehung Jesu von den Toten glauben?
Einige Jünger schon – Thomas nicht; er war nicht dabei, als Jesus den Jüngern begegnete. Thomas hat seine Zweifel: Wie soll denn das möglich sein? Jesus wurde gekreuzigt und ist am Kreuz gestorben; sein toter Leichnam wurde in ein Grab gelegt. Tot ist tot – das Leben ist aus, das weiß doch jedes Kind! Die Jünger können viel erzählen! Thomas will Beweise dafür, dass Jesus, der Gekreuzigte, lebt: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25), sagt Thomas provokant. Thomas legt damit den Finger in die Wunde und berührt den wunden Punkt: Die Jünger können nicht beweisen, dass Jesus lebt – die Jünger können es nicht.
Das Gespräch zwischen Thomas und den Jüngern ist damit beendet; die Frage ist für Thomas geklärt und abgeschlossen: Wer kann schon an die Auferstehung Jesu von den Toten glauben? Ich nicht!
Abgeschlossen, eingeschlossen, verschlossen: Acht Tage später – so erzählt das heutige Evangelium – kommt Jesus erneut in die Verschlossenheit der Jünger und auch des Thomas, Jesus kommt hinein in dieses „das kann ich nicht glauben“ und berührt den wunden Punkt bei Thomas. Der auferstandene Gekreuzigte zeigt ihm seine Wundmale als Beweis – die Wunden sind nicht weg, sondern sie sind da als Zeichen für das Leben, für Sterben und Auferstehen. Jesus fordert Thomas sogar auf, seinen Finger in die Wundmale zu legen. Ob Thomas den Mut zur dieser intimen Berührung hatte, wissen wir nicht – das Evangelium schweigt darüber.
Der „ungläubige Thomas“ ist innerlich berührt und er wandelt sich: Thomas kann jetzt glauben, dass Jesus wirklich lebt, und spricht das offen in einem Glaubensbekenntnis aus: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).
Um diese Offenheit geht es an Ostern – um diese Offenheit im Glauben an Jesus Christus, den auferstandenen Gekreuzigten – um dieses innere Berührtsein und Angerührt sein von Ihm, ohne dass wir ihr von Angesicht zu Angesicht sehen oder körperlich berühren könnten. Dieser christliche Glaube soll an und durch Ostern wachsen und erwachsen werden – in den Jüngern und in mir. Zweimal war im heutigen Evangelium von „verschlossenen Türen“ (Joh 20,19.26) die Rede – im übertragenen Sinn auch von verschlossenen Herzen. Der Auferstandene kommt hinein in diese, unsere Verschlossenheit: Wie bei den Jüngern geht Er den ersten Schritt, geht ein auf meine Fragen, auf die Zweifel und Ängste, auf meine Ablehnung und auf meine Wunden. Er zeigt mir seine Wunden – Er zeigt mir, dass er trotzdem lebt – Er steht mir zu Seite. Wie den Jüngern macht Er mir Mut, die Finger in die wunden Punkte meines Glaubens zu legen – Er hilft mir mit den Verwundungen meines Lebens zu leben aus der Kraft des Glaubens. Wie den Jüngerinnen und Jüngern wünscht Er mir den Frieden: inneren Frieden und Zufriedenheit – und äußeren Frieden in meinen gelebten Beziehungen mit meinen Mitmenschen und die Kraft zu vergeben. Er schenkt auch mir den Heiligen Geist – neue Lebendigkeit, Lebensatmen und Glaubensbegeisterung – und durch ihn neue Perspektiven im Leben und im Glauben.
Der „ungläubige Thomas“ ist ein Teil von mir – und der „gläubige Thomas“ hoffentlich auch. Wenn wir als Christinnen und Christen Glaubensängste und Zweifel haben, sollen wir einander im Glauben stützen und unterstützen, uns nicht verschließen, sondern uns einander öffnen und Nähe schenken: Wie Menschen in diesen Tagen Kontakte, Nähe und Verbundenheit suchen und leben – trotz des gebotenen Abstandes – berührt mich zutiefst und geht mir zu Herzen. Auf dem Gehsteig ein mit Kreide gemalter Regenbogen und ein geschriebener Gruß darunter: „Bleibt gesund!“ – das ist „Shalom“ ins Heute übersetzt; zudem erinnert der Regenbogen an den Bund Gottes mit den Menschen (vgl. Gen 9,13-17). Möglichkeiten der Verbundenheit sind handgeschriebene Briefe – jetzt hat man Zeit dafür – und auch Telefonate, in denen man fragt „wie geht’s Dir?“, in denen man nicht oberflächlich antwortet, sondern sich einander öffnet und das Leben, die Ängste, Freuden und Hoffnungen miteinander teilt, alles, was einen bewegt. Vieles Positive hat diese Krisenzeit schon hervorgebracht: Ein ermutigender und aufbauender, respektvoller und wohlwollender Umgang miteinander und auch mit der ganzen Schöpfung – Aufatmen können, neue Hoffnung, neue Lebenskraft und neues Leben spüren, das ist Ostern 2020. Das können wir glauben.
Amen.
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