Tagesimpuls

 

Liebe Freunde und Bekannte, liebe Schwestern und Brüder!

 

Die Menschen fehlen – Begegnungen fehlen;

das erleben wir schmerzhaft in diesen Tagen von Corona.

Die Menschen fehlen einem – Begegnungen fehlen uns.

Unsere Beziehungen werden auf eine harte Probe gestellt:

Die Beziehung zu den Menschen, die wir jetzt nicht besuchen und sehen können;

aber auch die Beziehungen zu Menschen, die wir jetzt immer sehen, weil man sich bei shut down und Schulschließung, bei Homeoffice und Ausgangsbegrenzung nur bedingt aus dem Weg gehen kann.

Beides ist anstrengend und kostet Kraft: die fehlende Nähe auszuhalten und das zu viel an Nähe zu ertragen.

 

Die Menschen fehlen – Begegnungen fehlen.

Das auch die Erfahrung der Leserinnen und Hörer der Johannespassion.

Die Menschen fehlen – Begegnungen fehlen auf dem Kreuzweg Jesu;

der „dauert“ bei Johannes nur zwei Sätze: „Sie übernahmen Jesus. Und er selbst trug das Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelstätte, die auf Hebräisch Gólgota heißt.“ (Joh 19,16b-17). Mehr schreibt Johannes nicht.

Es scheint als trägt Jesus das Kreuz mühelos den Berg zu seiner Hinrichtung hinaus – die Geißelung scheint ihn nicht geschwächt zu haben – einen helfenden Simon von Zyrene braucht Jesus in der Johannespassion nicht. Auch die Begegnung mit den weinenden Frauen und das Gespräch mit den Schächern am Kreuz fehlt – ebenso der Schrei der Gottverlassenheit „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Johannes blendet das Leid scheinbar aus: Will er es nicht sehen, oder ist Johannes gefühllos?

Der Kreuzweg wird bei Johannes zu einem Triumphzug des Gekreuzigten.

„Es ist vollbracht“, so die letzten Worte Jesu im Johannesevangelium.

 

Die Johannespassion „passt“ damit auf den ersten Blick so gar nicht in unsere Lebenswirklichkeit, in die Leiden und Schreie dieser Tage: Corona – Angst und Schrecken – Corona – Überlastung und Rücksichtslosigkeit – Corona – brüchige Zukunfts- und Arbeitsplatzperspektive, Existenz- und Insolvenzangst–, Corona – fehlende Betten, Geräte und Schutzkleidung in den Krankenhäusern – Corona – Flüchtlinge vor geschlossenen Grenzen in Lagern mit mangelhaften Hygienebedingungen – Corona…

 

Die Menschen fehlen – und Begegnungen fehlen: in der Realität und in der Johannespassion.

Aber eine Begegnung ist dort besonders: zwei Menschen sind nur in der Johannespassion überliefert und sie sind da – sie stehen unter dem Kreuz: Maria und Johannes.

 

Sie leiden mit Jesus – mehr können sie nicht tun;

andere wären längst davongelaufen oder hätten sich dieses Leiden, das Sterben Jesu am Kreuz nicht angetan.

Jesus empfiehlt die beiden Menschen, die er am meisten liebte, seine Mutter und den Lieblingsjünger, einander an: sie sollen Sohn und Mutter füreinander sein, füreinander da sein, einander stützen und trösten.

Diese Begegnung und diese Beziehung füreinander legt uns die Johannespassion ans Herz – da geht es um ganz viel Gefühl, um Mitgefühl und Fürsorge – füreinander und mit einander, damit der/die Einzelne nicht zerbricht.

Das ist die wichtige Botschaft des Karfreitags für uns, die wir in der Corona-Krise stecken: mit Gefühl und Mitgefühl – füreinander da sein, erreichbar sein, trotz des gebotenen Abstandes: telefonisch erreichbar sein und gerade auch Alte, Einsame und Kranke durch einen Anruf, einen Brief oder ein Bild erreichen – oder jemanden, der es nicht mehr selbst kann bzw. zur Risikogruppe gehört, beim Einkauf unterstützen oder für ihn/sie zu kochen, etc.

 

Im Seelsorgebereich Hofer Land haben wir auch eine „Einfach mal Reden“-Telefonnummer (09281 / 706799). Rufen Sie einfach an, wir sind für sie da, wir hören zu, wir reden mit Ihnen, wenn Ihnen die Decke auf den Kopf fällt, wir halten Kontakt.

Wenn wir so füreinander einstehen, auch wenn wir unter dem Kreuz und Corona stehen, dann zeigt das dem anderen: „Du bist nicht verlassen, von Gott nicht und von Menschen auch nicht! Du bist nicht allein.“

 

Wenn wir so handeln nach dem Auftrag Jesu – heute erging er an Maria und Johannes – und gestern beim Evangelium von der Fußwaschung an die Jünger und damit an uns – „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,14-15), dann können wir mit Jesus sagen: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30).

 

Der Sieg der Liebe ist nicht mehr aufzuhalten, auch durch Kreuz und Tod nicht.

Der Sieg der Liebe ist nicht mehr aufzuhalten, auch durch Corona nicht.

 

Pflegen wir an diesen Tagen von Corona und hoffentlich auch darüber hinaus die lebensdienlichen Beziehungen, die Beziehung zu Gott im Gebet auch in unseren offenen Kirchen und die Beziehung zu unseren Mitmenschen.

 

 

Ich wünsche uns dazu Gottes Segen + im Zeichen des Kreuzes, dem Zeichen unseres Glaubens, dem Zeichen unserer Hoffnung, dem Zeichen der Liebe.

Dieter G. Jung

Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau

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