Impuls

 

Liebe Christinnen und Christen unserer Pfarreien, liebe Freunde und Bekannte,

 

seit dem gestrigen Palmsonntag, dem Beginn der Karwoche, begleitet mich ein anderer Hymnus beim Morgengebet, der Laudes, der das Kreuz auf ungewöhnliche Weise in den Mittelpunkt stellt.

 

Das Kreuz aus Holz – in unserer Vorstellung aus gesägten Balken eines gefällten Baumes – wird als Baum mit Zweigen und Früchten besungen. Durch Jesus als „Frucht“ an diesem Kreuzesbaum, wird dieser „Baum“ zu etwas Besonderem, das Kreuz als Zeichen des Todes wird zum Zeichen des fruchtbaren Lebens: Jesus gibt sein Leben für uns, schenkt sich uns.

Diese bildhafte Vorstellung kommt der Realität vermutlich näher als unsere heutigen Vorstellung vom Kreuztragen und der Kreuzigung: Jesus trug sein Kreuz – eigentlich nur den Querbalken – zur Hinrichtungsstätte, an den Jesus dann angenagelt und so an einem bereitstehenden Pfahl oder Baum befestigt wurde.

 

Der Hymnus der Karwoche nimmt dem Kreuz die Grausamkeit als Marterwerkzeug – es soll trotz des „harte[n] Holz[es]“ dem Gekreuzigten „Rast“, also Ort des Kraftschöpfens werden; es wird damit zum Thron für den mit Dornen gekrönten, der schwer zu tragen hat an der Last der Welt und an den Qualen der Geißelung und des Kreuzweges.

Heilig Kreuz, du Baum der Treue, edler Baum, dem keiner gleich, 

keiner so an Laub und Blüte, keiner so an Früchten reich:

Süßes Holz, o süße Nägel, welche süße Last an euch.

 

Beuge, hoher Baum die Zweige, werde weich an Stamm und Ast, 

denn dein hartes Holz muss tragen, eine königliche Last, 

gib den Gliedern deines Schöpfers an dem Stamme linde Rast.

 

Du allein warst wert zu tragen aller Sünden Lösegeld, 

du, die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt. 

Du gesalbt von Blut des Lammes, Pfosten, der den Tod abhält.

 

Lob und Ruhm sei ohne Ende Gott dem höchsten Herrn geweiht.

Preis dem Vater und dem Sohne und dem Geist der Heiligkeit.

Einen Gott in drei Personen lobe alle Welt und Zeit. Amen.

 

 

In der zweiten Hälfte des Hymnus kommen wir Menschen und unser Leben in dieses Morgenlob hinein: „Du die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt.“

Wie oft erleben wir den drohende Schiffbruch, den Weltuntergang – Corona ist heute diese bittere Realität – aber auch private Situationen und Schicksale: tiefsitzende Streitigkeiten und generelle Ablehnung, Gleichgültigkeit und mangelnde Wertschätzung, oberflächliche und brüchige Beziehungen und Scheidung, drohende Arbeitslosigkeit, unheilbare Krankheiten und schwere Unfälle, das täglich näher kommende eigene Lebensende…

 

Wer/Was gibt mit in solchen Situationen Halt?

Wer/Was rettet mich?

Wer/Was hält mich am Leben?

 

„Wir wollten doch den Horizont erreichen. Und haben nur ein Schiffchen aus Papier“ – Schiffbruch und Untergang vorprogrammiert.

Das „WIR“, das Reinhard Mey in seinem gleichnamigen Lied besingt, ist der Lebenspartner: (der) geliebte Mensch(en) und auch Gott – geht ER mit mir unter?

Scheinbar, denn der Mensch gewordene Gott erleidet „Schiffbruch“ – Jesus Christus hängt und stirbt am Kreuz.

 

Und doch wird der Gekreuzigte und das Kreuz zum Zeichen der Lebensrettung 

(Lk 23,43). Leben durch den, der sein Leben für die Menschen gibt. ER wirft dem reumütigen Schächer im übertragenen Sinn den „Rettungsring“ zu, weil dieser eine Bitte, einen „Notruf“ abgesetzt hatte: „SOS – Save our Souls – Rette unsere Seelen“: „Herr, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42).

 

Wir gehen in diesen Tagen auf den Karfreitag zu – auf den sicheren Untergang des Lebens, auf die Katastrophe schlechthin, nicht nur im Leben Jesu. Der Tod Jesu aber ist nicht das Ende – wir gehen in diesen Tagen auch auf Ostern zu mit der Hoffnung auf und dem Glauben an neues Leben. Aber wir müssen durch den Karfreitag hindurch – er dauert oft länger als ein Tag; wir erleben das gerade…

 

Not lehrt Beten, so sagen wir landläufig. Setzen wir bei Gott immer wieder Notrufe im Gebet ab. ER hört unser SOS, in der Not unserer Tage, in der weltweiten Corona-Krise, in der mangelnden Seenotrettung der Geflüchteten auf dem Mittelmeer und in ganz persönlichen drohenden Schiffbrüchen; er ist mir nah, wenn mir das Wasser bis zum Hals steht. Das ist unser christlicher Glaube und unsere Zuversicht, unser Gottvertrauen, dass wir mit Jesus Christus nicht untergehen – sein Kreuz ist unser Rettungsanker.

 

ER ist entscheidend – WIR ist entscheidend, „das WIR gewinnt“ – wenn WIR in diesen Tagen im SOS-Gebet zu Gott flehen und wenn WIR als Menschen, ja als Menschheit zusammenstehen, dann werden WIR nicht untergehen, sondern mit IHM leben.

„Wir wollten doch den Horizont erreichen. Und haben nur ein Schiffchen aus Papier. In keinem Lebenssturm die Segel streichen. Wir können es noch immer, zusammen – WIR!“

 

So segne und rette uns und alle Menschen in ihrer Not und der Bedrängnis des Lebens + der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

 

Ich wünsche uns diese österliche Erfahrung mitten im derzeitigen Leid und der lebensbedrohlichen Angst

Dieter G. Jung

Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau

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