Beim Gang durch meinen Garten sehe ich immer meine Kletterrose: sie treibt schon aus.
Im letzten Jahr hatte sie wegen des neuen Fassadenanstriches gelitten: Wir mussten sie mit vereinten Kräften zur Erde biegen und über Wochen in dieser Lage fixieren. Die Triebe, die sich während dieser Zeit bildeten, strebten dem Licht entgegen – aber nach dem Ende der Fassadenarbeiten und dem Rückbiegen der Kletterrose hatten sie die falsche Wuchsrichtung.
Obwohl jetzt schon neue Triebe zu sehen sind, muss ich die Rose zurückschneiden – noch schrecke ich seit Tagen davor zurück. Wo den Schnitt ansetzten? Wieviel wegschneiden?
Aber ich weiß, nur der Rückschnitt regt die Rose zum gesunden Wachstum an.
In Zeiten der Corona-Krise haben auch wir mit vielen Einschnitten zu leben:
- Manche treffen diese Einschnitte im Leben hart: Kein Treffen und Feiern mit Freunden, kein Restaurantbesuch, keine ausgedehnten Shoppingtouren, kein regulärer Schulbesuch, Kurzarbeit, drohender Verlust des Arbeitsplatzes, Insolvenzangst.
- Manche stecken diese Einschnitte leicht weg: sie leben auch sonst bescheiden, was Konsum und Luxus angeht; sie versuchen in dieser Zeit das Wichtige im Leben zu leben – Liebe, Gerechtigkeit und Frieden und stärken damit mitmenschliche Beziehungen und Nähe trotz eingehaltenem Abstand.
- Manche müssen durch die Einschnitte auch mehr leisten und unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Sie sehnen sich nach Anerkennung, nach Ruhe und Erholung, nach ausreichenden Schutzmaßnahmen, nach dem Ende der Krise.
Wie bei meiner Kletterrose werden auch diese Einschnitte, so schmerzlich sie auch sind, neues Leben hervorbringen. Schon jetzt sehen wir, dass daraus auch viel Gutes wächst, zur Blüte kommt und Frucht bringt:
Nachbarschaftshilfe, Zeit für Telefonate, Anteilnahme, Entschleunigung, Zeit für privates Gebet und Verbundenheit im Gebet, Gottvertrauen…
Nehmen wir die Einschnitte an – korrigieren wir sie, wenn nötig, und machen wir mit Gottes Hilfe das Beste daraus. … Und vergessen wir nach der Krise nicht, was sich durch die Einschnitte zum Positiven gewendet hat – machen wir dann nicht so weiter wie vorher.
- Ich denke darüber nach, was sich für mich ganz konkret trotz der Krise schon an Positivem entwickelt hat bzw. was ich als „gut“ und „trostreich“ erfahren habe – und bringe meinen Dank im Gebet vor Gott.
- Ich denke darüber nach und schreibe mir für die Zukunft auf, wie ich dies konkret auch nach der Corona-Krise erhalten und umsetzen möchte – und bitte Gott im Gebet um Kraft dafür und seinen Beistand.
Du Gott des Lebens,
du willst Leben für mich – Leben in Fülle – in diesem Leben und darüber hinaus;
du bist meine Hoffnung, dass mir das Leben blüht – in diesem Leben und darüber hinaus.
Segne alle, die für unsere Versorgung tätig sind, und alle, die für Einsame, Alte, Kranke, Infizierte und Sterbende da sind.
Segne alle die, die Lebensmüde sind, und alle, deren Leben bedroht ist.
Segne auch mich, mein Leben und meine Lieben + im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Ihnen/Euch alles Gute und einen gesunden Tag!
Dieter G. Jung
Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau
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